BILL BARNETT: ERKENNTNISSE EINES ANWALTS ÜBER BEWEISLAST UND WIE MAN BEWEISE ABWÄGT
BILL BARNETT: ERKENNTNISSE EINES ANWALTS ÜBER BEWEISLAST UND WIE MAN BEWEISE ABWÄGT
Glaube ist nicht blind: Willkommen beim Podcast Glaube ist nicht blind. Ich bin Bruce Hafen. Heute sprechen wir in Denver mit Bill Barnett. Danke, dass Sie gekommen sind.
Bill: Ich freue mich, hier zu sein.
Glaube ist nicht blind: Erzählen Sie uns etwas über sich selbst. Wo sind Sie aufgewachsen?
Bill: Ich wurde in Texas geboren, aber mein Vater war ein Ranger im Nationalpark. Als ich in die 11. Klasse kam, zog ich von Texas weg und wohnte im Bryce Canyon Nationalpark, Mount Rainier Nationalpark und Yellowstone Nationalpark.
Glaube ist nicht blind: Wann haben Sie sich der Kirche angeschlossen?
Bill: Als ich im ersten Studienjahr am College war, also 1967.
Glaube ist nicht blind: Waren Ihre Eltern religiös? Hatten Sie einen religiösen Hintergrund?
Bill: Meine Eltern waren überhaupt nicht religiös. Das heißt nicht, dass sie Atheisten waren, aber wir gingen nicht zur Kirche. Da wir in den Nationalparks lebten, wo es normalerweise keine nahe gelegene Schule gab, ging ich in Mount Pleasant, Utah, auf die Wasatch Academy.
Glaube ist nicht blind: Wie kamen Sie denn da hin?
Bill: Weil wir damals im Bryce Canyon wohnten. Zuerst habe ich die ShawiniganLake-Jungenschule auf Vancouver Island in Kanada besucht, weil meine Mutter Kanadierin ist. Als ich aber zum Bryce Canyon umzog, war die Wasatch Academy viel näher und sie hatte einen guten Ruf für Kinder aus dem Park Service.
Glaube ist nicht blind: Haben Sie so die Kirche gefunden?
Bill: Ja, so war das. Ich ging mit einem Mädchen aus und sie gab mir ein Exemplar von Ein wunderbares Werk, ja ein Wunder. So fing alles an. Nach meinem Abschluss an der Wasatch Academy ging ich an dieSouthern-Methodist-Universität nach Dallas, Texas, und dort wurde ich getauft. Ich schloss mich der Kirche in meinem ersten Studienjahr an der SMU an.
Glaube ist nicht blind: Wie hat sich Ihr Zeugnis entwickelt? Was hat es beeinflusst? Woraus bestand es? Wie war Ihr Zeugnis in seiner frühen Phase und wohin entwickelte es sich im Laufe der Zeit?
Bill: Ich glaube, dass es anfänglich mehr davon beeinflusst wurde, dass ich eine Freundin hatte, die Mitglied der Kirche war und nichts mit mir zu tun haben wollte, wenn ich mich nicht der Kirche anschließen würde. So fing es an. Ich las Ein wunderbares Werk, ja ein Wunderund dann las ich das Buch Mormon und schloss mich der Kirche an, doch wusste ich nicht viel über sie. Später war ich nicht mehr mit dem Mädchen zusammen, aber ich verließ die Kirche nicht. Irgendwie blieb ich bei der Kirche und ich wundere mich, dass ich das damals in meiner Jugend tat. Denn an der SMU—das war 1967 und 68 vor dem Internet—gab es ein Buch über die Schule, das alle Kurse der Schule auflistete, wofür die Schule stand und so weiter. Damals studierten etwa acht- bis zehntausend Studenten an der SMU. Hinten im Buch war ihre Konfessionszugehörigkeit aufgelistet. Die Methodisten hatten 7000. Episkopalen tausend, Baptisten 800 und am Schluss kamen die Mormonen—einer.
Glaube ist nicht blind: Das waren Sie.
Bill: Das war ich. Ich hatte mich einer Studentenverbindung angeschlossen und deswegen wollte ich gemeinsam mit meinen Verbindungsbrüdern meinen Spaß haben. Eigentlich wollte ich tun, was immer mir in den Sinn kam, aber ohne die Konsequenzen, also die Lehre Nehors. Ich hatte mich der Kirche angeschlossen und weiß nicht mehr, wie sehr mir damals bewusst war, dass die Kirche wahr ist. Ich hatte ein gutes Gefühl, erinnere mich aber nicht mehr, wie stark mein Zeugnis war. Meine Gefühle waren stark genug, um nicht einfach mit meinen Verbindungsbrüdern trinken und zechen zu gehen und sowas Ähnliches—es sei denn, dass ich beweisen konnte, dass die Kirche falsch ist. Also versuchte ich, jedes mögliche existierende Anti-Mormonen-Buch, das es 1960 gab, zu finden und zu lesen. Das waren dann Bücher wie Fawn Brodies No Man Knows My History(Keiner kennt meine Geschichte), Mormonism Unveiled(Mormonismus enthüllt) und The Godmakers(Die Gottmacher). Aber aus irgendeinem Grund würde ich beim Lesen dieser Bücher, wenn ich auf eine Fußnote stieß—da ich Quellenmaterial liebe—den ganzen Berg durchforsten, um herauszufinden, wie sie zu ihren Schlussfolgerungen kamen. Wenn ich das Zitat fand, würde ich sagen: „Wie können sie das in ihrem Buch sagen? Was sie zitieren, sagt überhaupt nicht das aus, was sie behaupten.“ So ging ich einige Jahre vor. Und wenn ich auch mit Sicherheit herausfand, dass ich die Kirche nicht auf diese Weise als unwahr überführen konnte, konnte ich so auch nicht beweisen, dass die Kirche wahr war.
Glaube ist nicht blind: Sie haben so viel gelesen. Wieso konnte das die Kirche nicht als unwahr überführen?
Bill: Also, ich habe das alles gelesen. Ich lese solche Abhandlungen auch bis heute. Ich hörte mir John Dehlin an, ich las Artikel von Martin Snuffer, ich las den CES-Letterund untersuchte all ihre Aussagen, und sie sind schwach. Beruflich bin ich Anwalt, doch damals wusste ich so etwas noch nicht. Doch war ich insofern geschützt, dass ich ihnen die Beweislast zuschob, nicht der Kirche, um zu beweisen, dass sie wahr ist. Vielmehr mussten sie beweisen, dass sie nicht wahr ist. Und ihre Argumente waren einfach schwach. Es gab keine logische Grundlage, keine faktisches Grundlage. Sie verfolgten bestimmte Absichten; es war keine ehrliche Suche nach Wahrheit.
Glaube ist nicht blind: Das ist eine interessante und ungewöhnliche Perspektive, Bill, denn Sie sind Rechtsanwalt. Der Begriff „Beweislast“ ist Ihnen und mir geläufig. Was bedeutet er und wie wendet man ihn in dieser Situation an?
Bill: In meiner Arbeit war ich oft als Strafverteidiger tätig, und als Strafverteidiger musste ich oft eine Jury davon überzeugen, dass die Ankläger ihre Anschuldigungen gegen meinen Klienten nicht so beweisen konnten, dass es keinerlei berechtigten Zweifel gab. Und immer wieder erklärte ich den Geschworenen, dass es unterschiedliche Abstufungen der Beweislast (also der Belastbarkeit der Beweise) gibt. Und in einem Fall wie diesem, wo es einerseits Unglauben gibt und andererseits völligen Glauben, konnte es auch einen Teil Glauben dazwischen geben, nämlich „ein Übergewicht der Beweise“—ich würde sagen 51% zu 49%.
Glaube ist nicht blind: Das heißt, dass es mit 51% wahrscheinlicher ist, dass es so oder so war.
Bill: Und die nächste Ebene für die Stichhaltigkeit der Beweise wäre dann „klare und überzeugende Beweise“; da würde ich der Jury sagen, das wären etwa 75%. Und die Staatsanwälte würden immer Einspruch einlegen, aber die Richter würden es mir dennoch erlauben.
Glaube ist nicht blind: Ich möchte nur sicher sein, dass wir das richtig verstehen, denn ich denke, das ist sehr hilfreich. Könnte man bei 75% sagen—wenn es in einem Strafverfahren klare und überzeugende Beweise gibt—heißt das dann, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es wahr ist, bei 75% liegt? Kann man das einfach so sagen?
Bill: In einem solchen Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch. Man ist also von der Annahme, dass es so sein könnte, jetzt zu der Annahme gelangt, dass es sehr wahrscheinlich ist. Und in Kriminalfällen muss die Stichhaltigkeit der Beweise „ohne berechtigten Zweifel“ erfüllt sein, das heißt, man muss sehr stark überzeugt sein.
Glaube ist nicht blind: Also mehr als 75%?
Bill: Ich würde einer Jury sagen, dass es 90-95% sein muss. Die Geschworenen müssen sich sehr sicher sein, bevor man jemanden schuldig spricht.
Ich glaube, dass ich damals sehr viel Glück hatte. Als jüngerer Mensch verstand ich nicht, was ich da tat, aber ich las Anti-LDS- oder Anti-Mormonenliteratur und die Verfasser waren weit davon entfernt, die Anforderungen der Beweislast zu erfüllen.
Glaube ist nicht blind: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, begannen Sie mit der Absicht, die Kirche als unwahr zu überführen.
Bill: Mein Motiv, die Kirche als unwahr zu überführen, entsprang reiner Genusssucht. Ich wollte als Verbindungsbruder losziehen und trinken, zechen und unzulässige sexuelle Beziehungen haben können—was immer das in den 60er-Jahren war. Ich wollte in der Lage sein, so zu handeln, aber mein Gewissen ließ das nicht zu, es sei denn, dass ich wüsste, dass die Kirche nicht wahr ist. Und deshalb nahm ich mir vor, die Anti-Literatur zu lesen, um das zu beweisen. Das würde ich niemandem empfehlen—aber aus welchem Grund auch immer war ich besessen davon, das zu erforschen. Mein ganzes Leben lang bin ich davon besessen, Epistemologie zu studieren—also die Lehre der Erkenntnis und des Wissen—Ontologie (die Lehre des Seins), Quantenphysik, Evolution—meine Neugierde ist unersättlich. Und das war damals auch so. Also las ich diese Bücher und dachte dann: „Mensch, das ist aber eine einseitige Aussage.“ Selbst bei Kriminalfällen sagen wir der Jury: „Wenn Sie diesem Zeugen zuhören, bedenken Sie, ob er vielleicht eine Scharte auszuwetzen oder Beziehungen zu der einen oder der anderen Seite dieses Falles hat? Hat er etwas, das er beweisen muss? Weshalb sollten Sie diesem Zeugen glauben?“ Dasselbe tun wir mit Experten. Ich hatte etliche Gerichtsverhandlungen, wo mein Experte ihrem Experten widersprach, und wir mussten der Jury sagen: „Dies alles müssen Sie durcharbeiten, um zu entscheiden, ob Sie dieser Person glauben.“ An welche Fakten erinnern sich diese Experten, wie sind sie mit dem Fall verbunden, was würde Sie veranlassen, dieser Person zu glauben? Mir war nicht bewusst, dass ich genau das tat, als ich jung war. Mir war das bewusst, als ich älter wurde, aber als jüngerer Mensch machte ich das auch schon.
Ich war instinktiv ein guter Juror. Und so las ich Brodys No Man Knows My History(Keiner kennt meine Geschichte)—und das war wahrscheinlich das erste Anti-Mormonenbuch, das ich in den 60ern las—und alle meinten, wie gelehrt Brody war. Und hier war ich in meinem ersten und zweiten Unijahr und nach dem Lesen sagte ich: „Das ist kein wissenschaftlicher Ansatz.“
Glaube ist nicht blind: Das kam wohl auch daher, dass Sie die Fußnoten lasen.
Bill: Und man sollte das heute im Internet auch so tun. Wenn Sie nur (den Text) lesen und als wahr akzeptieren, sehen Sie ganz schön alt aus. Sie müssen buchstäblich ausreichend Neugier haben, das in Frage zu stellen—wie am allerersten Anfang einer Philosophieklasse. Für mich ist all dieses Anti-Material wie die Zweige und Blätter eines Baumes. Also, ihre Meinungen sind die Blätter: „Die Kirche ist nicht wahr, weil das Buch Abraham nicht richtig geschrieben wurde oder die Wörter nicht mit den Papyri übereinstimmen.“ Das ist eine Meinung. Wenn jemand das meint, ist das in Ordnung, aber es wäre wichtig, dass so jemand es auch belegen kann. Die nächste Frage ist: „Welche Prämisse liegt dieser Meinung zugrunde?“ und dann muss man immer tiefer vordringen, bis man auf den Grund kommt. Und wenn man zur grundlegenden Frage kommt, wird es ziemlich einfach: „Hat Joseph Smith wirklich gesehen, was er gesehen hat? Ist das Buch Mormon wahr?“ Und wenn man zu diesem Fundamentalen kommt, wird alles andere irgendwie klein und unbedeutend.
Glaube ist nicht blind: Sehr interessant. Aus Erfahrung sprechend sagten Sie, wenn eine Jury einem Zeugen zuhört, versuchen Sie als Verteidiger ihnen nahezulegen, dass sie in Betracht ziehen sollen, welche möglichen Motive diese Person haben könnte, um den Sachverhalt so oder so zu interpretieren. Kann man das auf Menschen anwenden, die online etwas über die Kirche lesen? Wie kann man wissen, welche Motive jemand hat
Bill: Was ich ihnen vorschlagen würde … Also, es gibt nur vier Wege, wie man lernt. Es gibt die analytische oder rationale Methode—all das ist Epistemologie. Also: analytisch oder rational—zwei plus zwei ist vier. Man durchdenkt das mit seinem Verstand. So wie der Herr in Lehre und Bündnisse 9 zu Oliver Cowdery sagt: „Du hast dir keine Gedanken gemacht.“ Man muss es mit dem Verstand durcharbeiten. Das ist einWeg, um zu lernen. Einstein hat Sachen so durchdacht. Das ist das Analytische.
Der zweite epistemologische Weg ist durch Erfahrung—was wir tatsächlich erlebt haben. Das ist die wissenschaftliche Methode. Man kann einen Test durchführen. Man kann es ausprobieren.
Die dritteMethode ist durch Lernen und durch Autorität. Wenn Sie also mein Professor sind und ich alles glaube, was Sie sagen, und dann muss ich feststellen, dass etwas, was Sie getan haben, nicht stimmt, ist mein Zeugnis weg—es zerfällt.
Und die vierteMethode ist durch Intuition oder, wie wir in der Kirche sagen würden, durch „Offenbarung“. Das sind die vier Wege, wie man irgendetwas lernen kann. Es gibt keine anderen Wege.
Wenn Sie aber zum Ende des Buches Mormone kommen, sagt der Herr: „Wenn ihr dies lest und mit aufrichtigem Herzen und offenem Sinn fragt, werde ich es euch durch den Heiligen Geist mitteilen.“ Und wenn man getauft wird, was kommt als erstes nach der Taufe? Man erhält die Gabe des Heiligen Geistes. Darüber habe ich lange nachgedacht. Warum ist das so? Meiner Meinung nach ist der Grund dafür der, dass (diese Gabe) unsere direkte Verbindung mit unserem Vater im Himmel ist, und sie ist die einzigeLernmethode, bei der nur wir völlig und persönlich verantwortlich sind.
Wenn man bei einer analytischen Beweisführung Fehler macht, hat man vielleicht nur unlogisch gedacht und damit sein Denken verwirrt. Wenn man ein Experiment falsch durchführt, verwirrt das unseren Glauben. Wenn man der falschen Autorität zuhört—wenn man anti-mormonischen Argumenten zuhört und das Gesagte unbesehen hinnimmt—dann ist der Glaube auf Sand gebaut. Das einzige, das absolut wahr ist—was für Menschen vielleicht das Schwierigste zu verstehen und zu fühlen ist—ist Inspiration und Offenbarung. Denn wir alle sind dabei unsicher, weil wir uns fragen: „Ich fühle das, aber bin ich das? Oder sind das nur meine eigenen Gefühle?“
Und bis man an einen Punkt kommt, wo man lernt, dem zu vertrauen, kann man durch die anderen drei Methoden hierhin und dahin gezogen werden. Wenn man also eine Glaubenskrise in der Kirche hat, muss man das verstehen. Das Zeugnis baut auf allen vier Lernwegen auf. Und ich habe mein ganzes Leben mit allen vier Wegen des Lernens gelebt. Aber zunächst waren es vor allem die ersten drei Wege, und nicht der offenbarende Weg—bis ich älter wurde.
Glaube ist nicht blind: Sie haben etwas Bemerkenswertes über den „offenbarenden Weg“ und den Heiligen Geist und die Verheißung Moronis in Moroni 10:4 und 5 gesagt, was ich noch nicht auf die gleiche Weise bedacht hatte wie Sie. Und das ist nicht nur deshalb so bedeutsam, weil es der Heilige Geist ist, sondern weil er Sie mit wem verbindet?
Bill: Er verbindet uns direkt mit dem Vater im Himmel. Und dafür sind wir dann persönlich verantwortlich.
Glaube ist nicht blind: Er ist ein Mittler zwischen Ihnen und Gott. Und wenn diese Beziehung stark ist, ist das eine Quelle der Erkenntnis.
Bill: So wie Mark Twain das Huckleberry Finn sagen ließ: „Man kann keine Lüge beten.“ Worauf es wirklich ankommt: wenn man diesem Grundsatz und seinem Vater im Himmel treu ist, kann man nicht in die Irre gehen.
Glaube ist nicht blind: Zurück zur Frage der Motive. Was würden Sie jemandem sagen, der etwas über die Kirche lernen möchte und Onlinematerial anschaut, von dem man nicht weiß, von wem es kommt? Sie wissen ja, dass man das nicht sehen kann. Sie sind auf Google und erhalten eine Liste. Sie nehmen sie und lesen. Und Sie wissen nicht, ob es von der Kirche kommt oder deren ärgstem Feind. Sie haben schon gesagt, wenn man die Motive der Verfasser nicht kennt, kann man die Beweiskraft ihrer Aussage nicht wirklich bewerten. Wie können Sie jemandem helfen, der das Motiv herausfinden will?
Bill: Man muss sich die Zeit nehmen zu fragen: „Warum schreibt derjenige das? Ist diese Person wirklich ehrlich oder versucht sie, mich zu überzeugen?“ Wenn jemand wirklich ehrlich ist, macht es ihm nichts aus, ob man das akzeptiert oder nicht. Wenn jemand Adjektive benutzt—irgendwelche Adjektive, die den Sachverhalt tendenziös darstellen—hat man Grund, skeptisch zu werden. Und das geht in beide Richtungen. Man kann auf Übereifrige treffen, die wollen, dass wir ihnen glauben. Man kann in der Kirche Übereifrige finden, die den Sachverhalt in die andere Richtung kippen. Auch das ist falsch. Ich weiß das von Detektiven (und ich hatte einen ziemlich guten Ermittler, der eine forensische Analyse der Aussagen von Menschen vornahm, um zu entscheiden, ob sie die Wahrheit sagten oder nicht); diese analysieren die Wortwahl und den Satzbau anhand der benutzten Adjektive. Und er konnte mir sagen, ob jemand log. Und dann ging es darum, herauszufinden, weshalb. Aber darin bin ich nicht so gut; dafür braucht man viel Expertise.
Grundsätzlich würde ich sagen, man sollte sich wie ein Geschworener in einem Rechtsfall verhalten. Wenn man also im Web Anti-Kirchenmaterial liest, sollte man zumindest ein Juror sein und sagen: „Ich möchte der anderen Seite die gleiche Gelegenheit geben.“
Glaube ist nicht blind: Aber in der Überschrift auf der Seite, die man gerade liest, steht nicht „Anti“.
Bill: Man wird das aber erkennen. Es gibt mehrere Websites, die vorgeben, fair und ehrlich zu sein. Ich weiß nicht, ob Sie möchten, dass ich die hier nenne, doch habe ich mir alle angehört. Ich hab den CES Lettergelesen. Ich habe John Dehlin zugehört und Denver Snuffer gelesen. Und man kann das erkennen. Sie haben bestimmte Absichten und man kann das an ihren Adjektiven erkennen. Es begann mit Fawn Brodie und No Man Knows My History. Anhand ihrer Adjektive konnte ich erkennen, dass sie nicht fair war.
Glaube ist nicht blind: Wenn Sie sagen, dass solches Material bestimmte Absichten verfolgt, was meinen Sie damit?
Bill: Man will Sie überzeugen, dass die Kirche nicht wahr ist. Aber dort steht nicht einfach, ‚hier gibt es ein Problem‘. Dort stellt man keine offenen Fragen. Es sind Suggestivfragen, wie man sie im Gericht benutzt. Da steht nicht: „Wie hat Joseph Smith das Buch Abraham übersetzt, diktiert oder hervorgebracht?“ So etwas steht da nicht. Es basiert auf Annahmen. Zum Beispiel die Annahme über das Buch Abraham, dass die Papyri, die wir in dem Buch Abraham haben, nicht mit den Aussagen im Buch Abraham übereinstimmen, und deshalb hat er es falsch übersetzt. Sie nehmen an, dass er etwas vor sich liegen hatte und dass er übersetzte; so war es aber überhaupt nicht. Aber so würde eine solche Website das abhandeln.
Glaube ist nicht blind: Bill, dies war wirklich hilfreich. Und ich möchte wiederholen, was für mich besonders interessant war. Und das betrifft Ihre ersten Entdeckungen, die Sie hier beschrieben haben. Wie schwierig es war, den Beweisen der Kritiker der Kirche zu glauben, als Sie selbst versucht haben, die Kirche als unwahr zu überführen. Sie waren also voreingenommen und wollten das akzeptieren. Aber es gab etwas in Ihrer Neutralität, das Ihnen bei Ihren Fragen half.
Bill: Ich hatte Glück. Ich wurde beschützt. Ich kam da durch und mein nächster Schritt kam, als ich eine weitere Frage hatte. Ich dachte: „Meine Güte. Wie weiß ich eigentlich, ob das Christentum wahr ist?“ Also kaufte ich mir die Schriften aller Religionen auf der Welt. Ich las Lao Tse Tung und vieles über den Buddhismus (dieser hat keine Schriften, aber ich las einen Teil der Tripitaka). Ich las die Bhagavad Gita des Hinduismus. Ich kaufte mir einen Koran und las ihn, weil ich dachte: „Ich habe ein gutes Gefühl dabei, mich der Kirche anzuschließen, aber ich weiß nicht einmal, ob das Christentum wahr ist.“ Also musste ich einen Schritt zurücktreten und all diese Schriften lesen. Und währenddessen wurde mir wirklich klar, dass das Christentum wahr war. Das wurde mir sehr klar, als ich die Schriften las. Ich las nicht die Kommentare zum Koran. Auch nicht die Kommentare zur Bhagavad Gita. Ich las nur die Schriften selbst. Ich wollte diese lesen und es aus erster Hand erfahren. Ich wollte nicht, dass jemand anders das für mich auslegt. Ich dachte: „Ich bin schlau, ich kann verstehen, was das alles bedeuten soll.“ Also bezahlte ich den Preis and tat all das. Und nachdem ich das alles getan hatte, machte ich mir keine Sorgen mehr. Ich dachte bei mir: „Das Christentum ist wahr.“ Und innerhalb des Christentums hatte ich kein Problem, welche Kirche wahr ist. Für mich waren es entweder die Katholiken oder die Mormonen. Diese zwei sind die einzigen, die meiner Meinung nach eine berechtigte Chance hatten. Und die HLT-Kirche schien absolut wahr zu sein.
So war ich für 20 weitere Jahre ein gutes, glaubenstreues Mitglied der Kirche. Auf der Skala „Jenseits berechtigten Zweifels“ war ich an dem Punkt „Jenseits berechtigten Zweifels“, doch war die Tür immer noch einen kleinen Spalt offen. Und dann bekam ich Krebs und musste ins Krankenhaus. Ich hatte Prostatakrebs. Er war sehr aggressiv und hatte gestreut. Deshalb war eine Operation so ziemlich die einzige Möglichkeit, da er sehr aggressiv war, und man musste sie sofort durchführen. Und man sagte mir: „Sie werden eine Nacht im Krankenhaus bleiben müssen, vielleicht auch zwei.“ Und alles ging schief. Ich war 45 Tage im Krankenhaus. Die ersten 3-4 Tage ging es um Leben und Tod. Es musste mehrfach operiert werden. Ich wurde im Krankenhaus in Quarantäne gesteckt, weil man befürchtete, ich hätte eine hautfressende bakterielle Infektion. Und man wusste nicht, ob ich leben oder sterben würde. Dies alles geschah im vergangenen Oktober; aber in dieser Zeit, in diesen 45 Tagen, machte ich Erfahrungen, welche die Tür endgültig schlossen. Der Schleier wurde buchstäblich durchdrungen. Und ich will nicht weiter darauf eingehen oder den Eindruck erwecken, dass ich mehr sah oder tat, als tatsächlich geschah. Ich möchte aber soviel sagen; früher war ich immer ärgerlich, wenn Präsident Packer sagte: „Das ist alles sehr heilig. Nicht geheim. Aber aus dem Grund reden wir nicht darüber.“
Und ich hatte mich oft gefragt, was der Vers bedeutet, dass Christus mit Worten betete, „die keine Zunge sprechen und kein Mensch niederschreiben kann“. Ich muss zugeben, dass ich bei Präsident Packer immer etwas ungeduldig wurde; ich dachte, „Wenn Sie Jesus wirklich gesehen haben, sagen Sie es doch einfach, statt davon zu sprechen, dass dies nicht geheim, sondern heilig sei.“ Und jetzt weiß ich, warum. Ich machte in jenen 45 Tagen, da mein Leben am seidenen Faden hing, bestimmte Erfahrungen. Und ich verstand, was die Teilnehmer der Martin-Handkarrenkompanie in ihren extremen Erfahrungen gelernt hatten. Irgendwann rieten mir Leute: „Du solltest diese Ärzte verklagen, denn die haben alles vermasselt.“ Aber ich wollte das auf keinen Fall tun. Ich bin Anwalt. Ich weiß, was das bedeutet. Ich weiß auch, dass mein Arzt nur mein Bestes im Sinn hatte. Und einiges ist einfach passiert und ich würde ihn keinesfalls verklagen. Ich erinnere mich daran, über eine Sonntagsschulklasse in Salt Lake City gelesen zu haben, in der über die Martin-Handkarrenkompanie gesprochen wurde. Da hatten Menschen die Führer der Kirche kritisiert, man hätte diese Gruppe niemals so spät im Jahr losziehen lassen sollen. Und ein alter Mann stand damals in jener Sonntagsschulklasse auf und sagte: „Ihr wisst nicht, worüber Ihr sprecht. Ja, wir erlebten schwierige Zeiten in dieser Handkarrenkompanie, aber durch unsere extremen Erfahrungen lernten wir Gott kennen. Und das würde ich niemals für irgendetwas eintauschen.“
Mit meiner Erfahrung im Krankenhaus war es genauso. Auf keinen Fall möchte ich das nochmals erleben. Es gab Zeiten, wo ich so inbrünstig betete und wollte, dass der Herr mich entweder holt oder mir die Schmerzen nimmt. Es war so schlimm, dass es mir gleich war, ob ich leben oder sterben würde. Ich wollte nur, dass es aufhört. Aber durch diese Erfahrung wurde jeder noch vorhandene Zweifel beseitigt. Ich machte die Erfahrung, dass Gott da ist. Er ist unser Vater im Himmel. Er kennt einen jeden von uns persönlich—sehr persönlich. Ich weiß, dass Jesus unser Bruder ist, dass er für jeden von uns individuell das Sühnopfer vollbracht hat. Es war kein pauschales Sühnopfer. Er kennt jeden von uns persönlich und was wir durchlebt haben. Er weiß genau, was wir erleben, denn er hat es auch erlebt. Wenn wir weinen, weint auch er, denn er hat die Tränen schon geweint, die wir jetzt weinen. Ich weiß das, und jetzt bin ich wie Präsident Packer.
Ich werde nicht mehr darüber sagen, weil es heilig ist. Aber ich gebe mein Zeugnis, dass es absolut wahr ist. Und ich mag nicht sagen: „Die Kirche ist wahr“, weil wir das schon immer in jeder Abendmahlsversammlung gesagt haben; und Menschen stehen auf und sagen das, weil es eine Gewohnheit und eine Tradition ist. Aus meiner Sicht als Jurist muss man genau wissen, was man tut, wenn man sagt: „Ich weiß, dass das wahr ist.“ Da muss man schon genau sein. Meine ganze Karriere als Anwalt basiert auf der Präzision von Wörtern; das war für mich immer eine große Sache; deshalb mag ich die Redewendung nicht: „Die Kirche ist wahr“. Aber mir gefällt die Aussage: „Ich weiß, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage das Reich Gottes auf Erden ist.“
Ist sie vollkommen? Nein. Sind wir als Führer vollkommen? Nein. Aber ich weiß, dass sie in dem Maße geführt und uns gegeben wird, wie es unserem Verständnis entspricht. Ich kann nur bis zu einem gewissen Grad verstehen. Und wenn der Herr versucht, mir etwas zu erklären, was mein Verstehen übersteigt, so wie ich gerade jetzt versuche, Ihnen etwas zu erklären, dann geht das nur bis zu einem gewissen Punkt.
Und deshalb würde ich zu jedem sagen, der eine Glaubenskrise hat: „Seien Sie wie ein Geschworener. Hören Sie sich beide Seiten an, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Und während Sie zuhören, seien Sie so ehrlich und in Ihrem Denken so offen, wie Sie es können. Gehen Sie nicht voreingenommen an die Sache heran.“ Ich hatte zu Beginn eine bestimmte Absicht. Ich wollte die Kirche verlassen und ein zügelloses Mitglied der Verbindungsbrüder sein, ohne dass sich daraus Konsequenzen für mich ergaben; aber aus irgendeinem Grund ließ mein Wesen so etwas nicht zu. Also möchte ich sagen, haben Sie einen offenen Sinn und hören Sie beiden Seiten zu. Wenn Sie etwas lesen, das „Anti“ ist, dann gehen Sie auch zu den Websites, die solche Fragen beantworten. Sie können zur Website des Neal-Maxwell-Instituts gehen. Sie können auf die Fair-Mormon-Website gehen. Sie können Bücher lesen, die von Apologeten der Kirche geschrieben wurden. Sie können Podcasts anhören. Sie können auf YouTube Vorträge von Dan Peterson und Truman Madsen anschauen. Es gibt weitere Leute, für die ich große Wertschätzung hege.
Und wenn Sie beiden Seiten zuhören und dabei ein offenes Herz haben, können Sie ruhig bleiben und darüber nachsinnen. David O McKay hat gesagt, Meditieren/Nachsinnen sei wichtig. Und ich tue das auch, obwohl das mehr eine buddhistische Sache ist. Wenn Sie mit Kopf und Herz ruhig zuhören, wird die Wahrheit kommen. Vertrauen Sie darauf. Wenn Sie dann ein gutes Gefühl haben, liegt das wahrscheinlich daran, dass der Herr Ihnen etwas sagt. Doch müssen Sie sich bewusst sein, wo Sie stehen und wieviel Sie wissen. Und das wird in gewissen Maße der Filter sein. Die Gefühle werden stärker oder schwächer sein, abhängig davon, wieviel Sie wissen.
Glaube ist nicht blind: Bill, das ist sehr wertvoll. Es ist sehr persönlich. Es basiert auf Erfahrungen. Und ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie heute hier sind und uns daran teilhaben lassen.
Bill: Es war eine Freude, hier zu sein. Danke, dass Sie mich eingeladen haben.
Glaube ist nicht blind: Willkommen beim Podcast Glaube ist nicht blind. Ich bin Eric d’Evegnee und heute haben wir Sarah bei uns. Normalerweise führt sie die Interviews für uns durch, aber heute wollen wir sie interviewen. Und um ganz offen zu sein, sie ist meine Frau. Deshalb ist es eine prima Gelegenheit für uns, über einiges von dem zu sprechen, das wir bei anderen Podcasts besprochen haben. Also: Willkommen, Sarah.